Wie ich einmal beinahe eine Harzer Wandernadel bekommen hätte, oder: Wandertag im Harz, Teil 3
© Roman Jasiek

Wie ich einmal beinahe eine Harzer Wandernadel bekommen hätte, oder: Wandertag im Harz, Teil 3

Nun waren wir schon diverse Male zusammen im Harz wandern, unter anderem um Stempel der Harzer Wandernadel einzugeiern, und auch zuvor bin ich immer mal wieder durch die Botanik von Norddeutschlands höchstem Gebirge getrampelt. Kurioser Fun-Fact: Bis zum Brocken hoch habe ich es dennoch bisher noch nie geschafft! Kann man sich das vorstellen? Aus unbekannten Gründen bin ich stets im Bereich rund um die Rosstrappe und den Hexentanzplatz hängengeblieben. Wie Ihr, wenn Ihr hier schon ein paar Tage länger mitlest, sicher mitbekommen habt, sind Nicole und ich Menschen, die in schöner Regelmäßigkeit mal raus müssen. Oft reicht es leider nur für in der Länge variable Gassirunden mit dem Hund. Aber immer wieder lockt uns eben auch der Harz. Kaum verwunderlich, haben wir dieses immer und immer wieder lohnenswerte Ziel mehr oder weniger direkt vor der Haustüre.

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Der unlängst im Harz gefallene Schnee und die Tatsache, Zeit für eine weitere Wanderung zu haben, waren für uns zwei sehr gute Gründe, die Sache mit diesem Brocken endlich mal in Angriff zu nehmen. Dass Nicole, erfahrene Wanderin, die sie nun einmal ist, die paar Kilometer bis zum höchsten Punkt des Harzes schon diverse Male absolviert hat, überrascht vermutlich nicht. Bei so ziemlich jedem möglichen und unmöglichen Wetter. Die Aussicht, das bei frischen Minusgraden erneut zu tun, erfüllte sie mit Vorfreude. Und ich? Im Vergleich immer noch relativ untrainiert, Mammutmarsch und Ultra-Walk hin oder her, wünschte uns insgeheim Glück und gutes Gelingen.

An einem Sonntagmorgen um kurz nach 6 Uhr aus dem Bette zu krabbeln, um spätestens um 8 Uhr im Auto in Richtung Harz zu sitzen, das muss man auch wollen. Das Thermometer zeigte noch knackige 6 Grad am unteren Ende der Skala an. Aber gut, wer das eine will, muss das andere mögen, sag’ ich immer. Und Bewegung an der frischen Luft hat noch niemandem geschadet. Die Erfahrung hat gezeigt, dass man als Wanderer gut beraten ist, möglichst zeitig vor Ort zu sein, da der Harz ein stets beliebtes Ausflugsziel ist, das natürlich auch Familien anzieht und Menschen, die einfach nur so dort spazieren und die Natur genießen möchten. Es sollte sich auch dieses Mal wieder bewahrheiten.

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Kurz nach 8 Uhr ging sie los, die knapp anderthalbstündige Autofahrt. Unser Ziel war dieses Mal Schierke (jau, Heimat des berühmt-berüchtigten Kräuterschnapses Schierker Feuerstein). Mit der Bahn anzureisen, war dieses Mal leider keine Option. Ausgehend von unserem Startpunkt hätten wir mehr als 4 Stunden gebraucht, um überhaupt hinzukommen. Wir hätten Schierke also erst gegen 13 Uhr erreicht. Dann aber noch keinen Fuß in Richtung Brocken gesetzt. Angesichts des zeitigen Sonnenuntergangs in diesen Tagen also schlicht nichts, was auch nur ansatzweise Sinn ergeben hätte.

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So aber erreichten wir unseren angepeilten Parkplatz in Schierke gegen 10 Uhr. Die Sonne lachte uns vom blauen und kaum bewölkten Himmel bereits entgegen. Sie schuf damit gute Rahmenbedingungen, uns vor Ort noch schnell in die diversen Schichten von Klamotten zu zwängen. Zwiebellook FTW! Und dann ging es auch schon los. Wie üblich hatten wir wieder einiges an Proviant dabei. Geschmierte Stullen, Tee in Thermosbechern, Glühwein (versteht sich von selbst, ne?), Wasser mit Elektrolyten, gekochte Eier, Wiener Würstchen. Im Prinzip schon fast unser reguläres Set-up für solche Aktionen. Nur dass das weinhaltige Erfrischungsgetränk je nach Jahreszeit variiert. Im zweiten Rucksack hatten wir weitere Klamotten dabei. Unterhemden, weitere atmungsaktive Funktionsoberteile, Ersatzsocken und so weiter. Um je nach Bedarf der Zwiebel weitere Schichten hinzufügen oder aber durchgeschwitzte Teile austauschen zu können. Denn dieses wunderschöne Winterwunderland, durch das wir im Begriff waren zu stapfen, brachte es naturgemäß mit sich, dass die Temperaturen nach wie vor sportlich frisch waren. Hey, wer hat hier gerade „arschkalt“ gerufen? Kalt kann dir werden, nur anfangen zu frieren solltest du nicht. Dann haste verloren.

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Ein Wort noch zum Winterwunderland: Die hübsch anzuschauende Schneeoptik täuschte nicht darüber hinweg, dass diese Region des Brockens in ziemlich desolatem Zustand ist, was die Bewaldung anbelangt. Das sieht ohne Schnee schon unwirklich aus, mit vom Himmel gefallenem Puderzucker aber noch eine ganze Schippe mehr.

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Für den Weg zum Brocken rauf entschieden wir uns für einen Pfad, der bis dato nur wenig genutzt worden zu sein schien. Jedenfalls, seitdem der Schnee gefallen war. Es ging steil aufwärts mit uns. Über zugeschneite und gefrorene Stöcker und Steine. Schön vorsichtig, denn unter dem Schnee war es teilweise auch tüchtig glatt. Und wir wollten ja nicht direkt gleich auf der ersten Etappe den Frosch machen, wa? Wer, wie ich, so einen Aufstieg durch derartiges Gelände in Tateinheit mit einem solchen Wetterchen noch nicht gemacht hat, empfindet das möglicherweise als abenteuerlich. Ging mir jedenfalls so. Es ist eben doch etwas anderes, als der übliche Sonntagsspaziergang.

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Highlights dieser Tour waren zweifelsohne der Abschnitt, auf welchem wir parallel zu den Gleisen der Harzer Schmalspurbahn durch schönsten Sonnenschein liefen – und einmal sogar von diesem historischen Zug überholt wurden. Die HSB kündigt sich schon über weite Entfernung an. Einerseits wegen des Tuuuuuut-Tuuuuts, das sich durch die Landschaft echot, andererseits wegen der enormen Qualmwolken, welche die Lokomotive aus ihrem Schornstein presst. Man sieht den Zug noch nicht, die Begleiterscheinungen aber bemerkt man schon lange vorher bzw. noch lange, nachdem die Bahn hinter den Baumwipfeln verschwunden ist.

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Toll auch der Weg den Eckerlochstieg hinauf. Das ist für Ungeübte wie mich eine Herausforderung. Nachdem ich, Schnee und Glätte sei Dank, mich tatsächlich auch zweimal lang gemacht hatte, schon dachte, hier meinen Endgegner gefunden zu haben, überkam mich wieder dieses wohlige Gefühl, etwas geschafft zu haben, nachdem wir diese Passage hinter uns gebracht hatten. Lang ist dieser Weg nicht, aber sehr steil, sehr unwegsam und bei diesen Witterungsbedingungen vielleicht auch nicht ganz ungefährlich. Aber so wie Nicole gab es an jenem Tag auch diverse andere Wandersleute, die diesen Weg offensichtlich nicht zum ersten Mal gingen und in einem Affenzahn den Felsen hinaufkraxelten! Das kann schon mal ein bisschen anstrengend sein, wenn man dazu neigt, sich davon unter Druck gesetzt zu fühlen. Aber gut, irgendwann ist auch die eifrigste Meute an einem vorbei und der Weg kann ungestört fortgesetzt werden.

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Die letzten anderthalb Kilometer bis zum Brocken rauf verliefen dafür auf asphaltierter Straße. Hier bestand die Schwierigkeit vorwiegend in der Steigung. Je mehr wir uns dem Ziel näherten, umso windiger und kälter wurde es. Und oben dann: eiskalter, schneidender Wind, der mit böig noch sehr wohlwollend umschrieben ist. Tatsächlich pfiff dort oben derart stark der Fuchs, dass man sich richtig reinlehnen musste, um vorwärtszukommen. Und die Mütze festhalten, die hätte andernfalls sonst vielleicht den Freiflug nach Braunlage gewonnen. Oder wenigstens bis zum Schloss Wernigerode. Noch dazu Schneeverwehungen, die sich wie hunderte kleiner Nadelstiche im Gesicht anfühlten! Ihr kennt sicher alle Szenen aus irgendwelchen Filmen, in denen Menschen stehenden Fußes gegen den Sturm anmarschieren und gefühlt gar nicht vom Fleck kommen, oder? So in etwa könnt Ihr Euch das vorstellen.

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Im Brockenhotel, besser gesagt: in einem Raum vor dem Speisesaal, machten wir kurz Rast und beglückwünschten uns, Wechselklamotten mit dabei zu haben. Denn nach dem nicht gerade geringfügig anstrengenden Aufstieg waren die Klamotten am Leibe durchgeschwitzt bis hinten gegen. Ein kurzer Wechsel auf Toilette und schon konnte es weitergehen. Ein ganz neues Lebensgefühl stellte sich ein, kaum dass man wieder warme und trockene Kleidung am Wanst hatte, das kann ich Euch sagen!

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Wenn man schon mal oben ist, kann man doch direkt noch einen Stempel mitnehmen, nicht wahr? Denn oben auf dem Brocken, im Brockenhaus, gibt es einen Sonderstempel. Und da wir nicht zuletzt durch die vorangegangene Wanderung durch den Harz inzwischen genug Stempel gesammelt hatten, lag die Idee nahe, die Stempel gegen die erste Wandernadel in Bronze einzutauschen. Schöne Idee, hätte auch beinahe geklappt. Leider verfolgte uns hier einmal mehr das Künstlerpech: Ausgerechnet die bronzene Wandernadel war nicht mehr vorrätig! Ob nun, wie beim letzten Mal, die Verkaufsstation schon geschlossen hatte oder die Nadel nicht mehr auf Lager war – offenbar war für uns der Moment des Stempeleintauschens noch nicht gekommen. Tja.

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Wir kehrten noch einmal kurz für eine Tasse Grog bzw. Jagertee im nahegelegenen Brockenwirt ein, um uns noch ein wenig aufzuwärmen und ein paar Klamotten (Weste, Jacke) zu trocknen, ehe wir dann den Weg zurück nach Schierke antraten. Dieses Mal folgten wir allerdings nur der Straße, etwaige Ausflüge durchs Gestrüpp verkniffen wir uns aufgrund der Tatsache des zeitigen Sonnenuntergangs. Bei Schnee und Eis wollten wir uns nun wirklich nicht in der Dunkelheit durchs Unterholz schlagen. Gegen 17 Uhr und somit in nachtschwarzer Dunkelheit erreichten wir wieder das Auto und traten die Heimreise an.

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Ich muss sagen, ich bin ganz froh, dank Nicole die anderen Wanderungen durch den Harz als Warm-up gehabt zu haben. Anderenfalls wäre ich vielleicht gescheitert – oder hätte im Nachgang vielleicht keinen Bock mehr auf weitere Unternehmungen ähnlicher Art gehabt. So aber schließe ich mit der Feststellung, einmal mehr einen wunderbaren Wandertag mit der Liebsten gehabt zu haben, bei dem ich meine persönliche Grenze wieder ein bisschen verschoben habe. Die nächste Challenge, wie auch immer sie aussehen mag, kann gerne kommen!

Roman Jasiek

Hi, ich bin Roman! Ich bin ein Kind der 80er und schreibe seit Ende der 1990er-Jahre Dinge ins Internetz. Mein Herz schlägt für Musik, Comics, Collectibles, Essen, Reisen, Wandern und meine Lieblingsmenschen. Ich lebe und arbeite in Gardelegen.