Mal eine Frage an Dich: Weißt Du noch, wann Du zum letzten Mal etwas zum ersten Mal gemacht hast? In meinem Fall kann ich mich noch sehr genau daran erinnern. Und es war etwas, womit die Menschen, die mich schon länger kennen und/oder begleiten, vermutlich nie gerechnet hätten. Ehrlich gesagt: ich auch nicht. Aber unverhofft kommt bekanntlich oft. Und weil das so ist, habe ich kürzlich am ULTRA-WALK in Magdeburg teilgenommen, veranstaltet von der Firmenstaffel.
Ich bin jetzt über 40 und Sport war bisher in meinem Leben etwas, von dem ich mir zwar bewusst war, dass ich was tun müsste, es aber bei diesem offenkundig folgenlosen Erkenntnisgewinn geblieben ist. Und genauso unverhofft, wie ich zur Teilnahme am ULTRA-WALK gekommen bin, ist meine bessere Hälfte in mein Leben gekommen. Und möglicherweise zählt Ihr bereits schon 1 und 1 zusammen. Die Frau, nennen wir sie Nicole, ist schon ziemlich sportlich und auch ziemlich begeistert davon. Und auch bei ihr resultierte das aus der Einsicht: Man müsste etwas tun, aus diesem oder jenem Grunde. Und als Draußen-und-Dorf-Kind hat es ihr das Wandern angetan. Also unter anderem. Und durch die Gegend latschen, den Hans-guck-in-die-Luft spielen, das könnte doch genau mein Ding sein. Dachte ich mir so, in meinem halbjugendlichen Leichtsinn.

Abendliche Spaziergänge gehörten von Anfang an zu den Dingen, für die wir uns beide gleichermaßen begeistern konnten. Sie als passionierte Joggerin und vor allem Wanderin sowieso, aber auch ich bin ganz froh, wenn ich nach Stunden im Großraumbüro meines Real-Life-Jobs die Nase noch mal ein wenig in die Luft halten und die müden Knochen bewegen kann. Irgendwann kamen wir auf die Firmenstaffel zu sprechen, ein Event, bei dem Menschen unserer jeweiligen Unternehmen teilnahmen (und zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen tippe, immer noch teilnehmen). Sport ist bei mir oft daran gescheitert, dass ich mich alleine nur schwer aufraffen kann und es bis dato an Menschen in meinem Leben mangelte, die mich dafür begeistern konnten. Aber wisst Ihr, wie das ist, wenn sich Menschen für eine Sache so sehr begeistern, so schwärmerisch davon erzählen, so für diese Leidenschaft brennen, dass man gar nicht widerstehen kann und den Wunsch entwickelt, das auch mal probieren zu wollen? So ein Mensch ist Nicole, wenn sie vom Wandern erzählt. Wandern mit Nicole meint übrigens: In zügigem Tempo (also 5 km/h und mehr) gehen, nicht gemächlich durch die Botanik flanieren.
In der Firmenstaffel können Mitarbeitende der teilnehmenden Unternehmen sich miteinander messen, indem sie Distanzen schaffen. Das kann laufend (lies: joggend) passieren oder eben gehend. Damit eine Strecke, die via der Strava App aufgezeichnet wird, in die Wertung einfließen kann, muss besagtes Tempo von durchschnittlich mindestens 5 km/h eingehalten werden. Liest sich nach wenig, vor allem wenn man (so wie ich anfangs) keine Ahnung hat – bringt aber vor allem Sportfünfen wie mich gehörig aus der Puste und ins Schwitzen.
Um die Story ein bisschen abzukürzen: Die Entscheidung, dass wir beide an der Firmenstaffel teilnehmen, einfach just for fun, ist schnell gefallen. Nicht viel länger haben wir gebraucht, um uns für besagten ULTRA-WALK anzumelden. Die Teilnahme ist kostenlos, wenn die eigene Firma teilnimmt, andernfalls hätte die Teilnahme mit rund 30 Eurotaler zu Buche geschlagen. Es gab drei Disziplinen: 30 km, 50 km oder die volle Lotte von 100 Kilometern. Wir entschieden uns für den Einstieg für die 30er-Strecke. Genau die richtige Entscheidung, denn auch wenn der Fitnesstracker am Handgelenk über einen normalen Tag verteilt so und so viele gelaufene Kilometer anzeigt – am Stück und zügigen Schrittes eine Distanz von 30 Kilometern und mehr zu laufen, ist anstrengend. Das kann man als Neuling ganz schnell ganz böse unterschätzen.

Damit ich mich nicht völlig unvorbereitet in dieses Abenteuer stürze, nutzen wir die Zeit zwischen Anmeldung und Anpfiff für diverse weitere Spaziergänge, von denen aber keiner die Distanz von 15 Kilometern überschritten hatte. Der längste waren wohl rund 13 Kilometer im Urlaub an der polnischen Ostseeküste. Falls Ihr, aus welchen Gründen auch immer, Euch ebenfalls motiviert und/oder inspiriert fühlt, an solchen Veranstaltungen teilzunehmen – davon gibt es einige, der Mammutmarsch wäre ein weiteres Beispiel – ein wichtiger Tipp: Tut Euch mit Menschen zusammen, die schon über einige Erfahrung haben, worauf so zu achten ist bei diesen Märschen. Ich war zum Start des ULTRA-WALKS in der glücklichen Lage, dass meine Liebste das nicht erst seit gestern macht und mir somit einige böse (lies: schmerzhafte) Anfängerfehler erspart geblieben sind. Und somit konnte ich gut vorbereitet und gut ausgestattet am Vormittag des 1. Mais 2025 mit Nicole zu meinem ersten ULTRA-WALK, also quasi dem ersten Mammutmarsch meines Lebens, aufbrechen.
Startpunkt war die Schweizer Milchkuranstalt in Magdeburg. Ein wirklich ganz wunderbarer kleiner Biergarten, direkt zwischen Dom und Elbe gelegen. Für mich als Nicht-Magdeburger definitiv einer der schönsten Plätze der Stadt. Los ging es für Menschen, die sich für die 30-Kilometer-Route entschieden hatten, um 11 Uhr vormittags. Die 50er waren schon seit um 7 Uhr morgens auf den Beinen, die 100er sogar schon seit 20 Uhr am Vorabend.
Der Platz der Milchkuranstalt war gut gefüllt. Genau weiß ich es nicht, aber ich nehme doch stark an, dass die 30er-Strecke diejenige war, welche die meisten Buchungen erhalten hatte. Wir hatten unsere Startnummer bereits am Vorabend abgeholt und wurden Zeuge davon, wie die mutigen Menschen, die sich die 100er-Distanz vorgenommen hatten, gegen 20 Uhr auf den Weg machten. Während diese Leute ihre ersten Kilometer machten, nippten wir noch an unserem Aperol. Stärkung quasi.
Zurück zum 1. Mai. Tag der Arbeit. Und 30 Kilometer rund um Magdeburg marschieren ist auch Arbeit, das kann ich Euch sagen. Wir trafen noch auf Freundinnen von Nicole, es folgten die scheinbar obligatorischen Fotos auf dem Gelände der Milchkuranstalt, mit denen die Veranstalterfirma die eigenen Social-Media-Kanäle bespielen wollte, und dann, pünktlich um 11, setzte sich der Tross von sicher einigen Hundert Menschen in Bewegung.
Bei strahlendem Sonnenschein ging es zunächst eine ganze Weile an der Elbe entlang, vorbei am Wissenschaftshafen und so weiter, ehe die Route irgendwann eine Schleife beschrieb und es auf der anderen Seite wieder zurückging. Nach 14 Kilometern war ein Verpflegungspunkt eingerichtet; auf den längeren Distanzen gab es derer noch ein paar mehr. An diesem Checkpoint holte sich die Schar der Wandernden einen Stempel und wurde mit Süßigkeiten, Snacks, Getränken und, offenbar wohl der Sponsor dieser Veranstaltung, mit Energy-Drinks eines österreichischen Herstellers versorgt. Unsere Pause dort war nur von kurzer Dauer. Schnell ein bisschen Kuchen und eine Banane essen, etwas trinken und die Wasserflaschen auffüllen und dann direkt weiter. Bloß nicht träge werden, war die Devise. Ich glaube, hätte ich mich an dieser Pausenstation wirklich hingesetzt, ich wäre wohl nicht mehr in die Gänge gekommen. Dass man allerdings nur gerade mal drei Dixie-Klos aufgestellt hatte, kam mir für die Menge der Menschen, die losgezogen war, doch etwas knapp bemessen vor. Apropos Menschenmenge: Noch vor Erreichen des Checkpoints hatte sich das Feld schon ziemlich auseinanderdividiert. War es zu Beginn noch eine ziemlich lange Menschenschlange, die alle in ihrem eigenen Tempo von der Milchkuranstalt losgelatscht waren, so waren die Abstände schon zur Halbzeit teilweise sehr weit auseinander.
Nach rund fünfeinhalb Stunden reiner Wanderzeit erreichten wir wieder den Ausgangspunkt. Eine gute Zeit, wie befunden wurde, noch dazu, weil meine Begleitungen einen absoluten Noob in ihren Reihen hatten: mich. Meine Füße waren über die letzten drei bis fünf Kilometer nur noch ein einziger Schmerz. Nach Hause konnte ich nur noch im Schneckentempo humpeln. Wie ich daheim angekommen feststellen sollte, hatten sich an beiden Füßen diverse Blasen versammelt, einige davon quasi mit Blut gefüllt. Bei drei Zehen mache ich mir heute, fast drei Wochen später, immer noch Sorgen um die Fußnägel. Aber dieses Gefühl, es tatsächlich geschafft zu haben, tatsächlich durchgezogen und diese 30 Kilometer gelaufen zu sein (nochmal: Sport war vorher, wenn überhaupt, irgendwas, das ich in Videospielen wahrgenommen habe!), war wirklich außerordentlich befriedigend und erfüllend. Nicole meinte im Vorfeld noch zu mir, dass ich aufpassen soll, es könne schließlich sein, dass ich dabei Blut lecke. Tja, was soll ich sagen … während zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen tippe, meine Liebste gerade 75 Kilometer um Potsdam herum unterwegs ist, zu Fuß natürlich, planen wir schon den nächsten gemeinsamen 30er-Lauf. Nachtmarsch in Hamburg, das könnte unser nächstes gemeinsames Ziel sein. Und ich kenne mich: Das wird es auch werden. Den Newsletter vom Mammutmarsch habe ich immerhin schon abonniert.
Es gäbe über diese ganze Wander-Geschichte sicher noch so viel mehr zu erzählen. Und wer weiß, vielleicht mache ich das auch. Ich stehe hier noch komplett am Anfang, habe aber Blut geleckt oder Feuer gefangen oder wie auch immer Ihr das nennen wollt. Und so wie mich Nicole mitgenommen hat, zunächst auf abendliche Spaziergänge und dann auf meinen ersten großen Marsch, so können wir Euch hier vielleicht auch für etwas begeistern, von dem Ihr dann sagen könnt: Jau, da habe ich zuletzt etwas zum ersten Mal gemacht. Vielleicht sprechen wir hier mal über Routen, die man gehen kann. Apps, die man haben sollte, oder Ausrüstung, die man idealerweise für längere Märsche am Start hat. Die Möglichkeiten sind zahlreich, die Ideen gerade auch.
PS: Am Ende bin ich mit meinen insgesamt 37,35 gelaufenen und gewerteten Kilometern auf Platz 52 gelandet. Von insgesamt 538 Herren, die teilgenommen haben. Das geht, oder?