Wie bekommt man Sportmuffel dazu, sich ein wenig an der frischen Luft zu bewegen, um etwas für Körper und Seele zu tun? Nun, die dramatischste Variante wäre wohl: Dein Arzt sagt Dir das. Zum Beispiel, weil Blutdruck und/oder Cholesterinwerte zu hoch sind. Freilich, es gäbe die Möglichkeit, medikamentös einzugreifen. Aber will man das? Vielleicht hast Du auch das Glück (so wie der Autor dieser Zeilen) und ein ganz besonderer Mensch tritt in Dein Leben und steckt Dich mit seiner Begeisterung für Bewegung an. Auch das wäre eine Variante. Ein weiterer, gern genommener Ansatz ist Gamification. Also quasi spielerische Belohnungen für das Erreichen bestimmter Ziele. Wer Videospiele zockt, kennt das: Für das Abschließen dieser oder jener Mission wird ein Erfolg freigeschaltet, der fortan im eigenen Profil verbleibt und als Anerkennung einer Leistung dient. Kaufen kannste Dir davon nix, ein befriedigendes Gefühl ist es aber dennoch.
In gewisser Weise verfolgt man mit der Harzer Wandernadel einen sehr ähnlichen Ansatz. Wenn man die Möglichkeit hat, durch das Mittelgebirge und gleichzeitig höchste Gebirge Norddeutschlands zu wandern, kann man an verschiedensten Punkten Stempelstellen erreichen. Die Dinger sehen ein bisschen aus wie Briefkästen, in deren Innerem sich ein Stempelkissen nebst nummeriertem Stempel befindet. Und wenn man nun also eine bestimmte Route entlangwandert, kann man sich bei Erreichen der Stempelstelle ein bisschen Tinte in seinen persönlichen Wanderpass stempeln. Achievement unlocked. Je nachdem, was man zuvor für einen Weg zurückgelegt, wie viele Kilo- und Höhenmeter abgerissen hat, auch ein sehr befriedigendes Gefühl, das kann ich Euch sagen!

Wie Ihr dem Text zum ULTRA-WALK 30K in Magdeburg schon entnehmen konntet, sind Nicole und ich gut und gern zu Fuß unterwegs. Nicole ist aufgrund mehrjähriger Erfahrung in diesem Bereich deutlich fitter und trainierter als ich, aber jedes Mal, wenn wir eine Tour starten, bin ich stets bemüht, mit ihrem Tempo Schritt zu halten. Manchmal staune ich selbst, wie gut das insgesamt schon klappt. Da wir uns vorgenommen haben, den nächsten 30-Kilometer-Marsch in Hamburg bei Nacht zu absolvieren, war die Überlegung: der einstige Sportmuffel (Hi! It’s me, the problem it’s me 🎶) kann noch ein bisschen Übung vertragen. Schließlich war Nicole gerade erst für die Dauer von rund 14 Stunden 75 Kilometer um Potsdam herumgewandert. Ich … brauche dafür vermutlich noch so ein oder zwei … Jahre Übung. Anyway, das Ziel sollte der Harz werden, gemütliche 20 Kilometer durch die schöne Natur, mehr oder weniger vor der Haustür. Start und Ziel sollten Bad Harzburg sein. Und so kam es dann auch.

Möglichkeiten zur Routenplanung rund um oder durch den Harz gibt es zahlreiche. In Kombination mit dem Stempelpass der Harzer Wandernadel gibt es im Buchhandel komplette Sets mit reiß- und wetterfesten Wanderkarten, auf denen diverse Touren, die Euch auch an den besagten Stempelstellen entlangführen, verzeichnet sind. Apropos Stempelstellen: Es gibt derer rund 220 reguläre, dazu gesellen sich diverse Sonderstempel. Wer dieses Fass also aufmacht, hat grundsätzlich ganz viele (neue) Möglichkeiten für Ausflüge in die Natur. Wir hingegen setzten hier einmal mehr auf die App Komoot, welche eine interaktive, persönliche Routenplanung ermöglicht und es zudem erlaubt, die Karte offline auf dem Smartphone zu speichern. Das macht durchaus auch Sinn, denn je nach Route latscht Ihr durch dichtes Unterholz, und wie gut der Netzempfang in diesem Land ist, brauche ich Euch vermutlich nicht zu sagen.
Gegen halb 8 Uhr morgens machten wir uns auf den Weg nach Bad Harzburg. Von unserem Startpunkt aus eine gute Stunde mit dem Auto entfernt. Wir sind deshalb so zeitig los, weil es ein schöner Tag zu werden versprach, der gewiss viele Menschen in den Harz locken würde. Zudem hatten wir uns vorgenommen, gegen 15 Uhr mit den geplanten rund 20 Kilometern fertig zu sein. Es hat schon was für sich, nach getaner Wanderung nicht nur zum platt wie ein Hörnchen ins Bette fallen nach Hause zu kommen, sondern auch noch in Ruhe duschen, essen und bei Bedarf auch die Füße pflegen zu können.

Unsere Route führte uns dank umgestürzter Bäume teilweise nur schlecht begehbare und sehr steile Trampelpfade hinauf und auch wieder herunter, vorbei und mitten durch wunderschöne Waldlandschaften und gelegentlich mit wirklich tollen Aussichten auf den Brocken. Die Stationen, die wir unterwegs ansteuerten, waren unter anderem die Rabenklippe. Ein Aussichtspunkt, auf einem der markanten Felsen des Harzer Gebirges gelegen. Dort machten wir auch eine Rast für eine kurze Brotzeit. Merke: Frühzeitiges Erscheinen sichert die besten Plätze. Wir waren die einzigen Menschen zum Zeitpunkt unseres Besuches dort und hatten die Ruhe und die Aussicht nur für uns, unser gekochtes Ei und unsere Brote. Wir haben wirklich schon an weniger spektakulären Orten gefrühstückt! Solltet Ihr es uns gleichtun wollen und im Harz fernab der offiziellen Gastronomie schnabulieren wollen: Denkt bitte daran, Euren Müll wieder mitzunehmen. Der Harz leidet so schon genug, und Müll wie die Überbleibsel von (vermutlich diversen) Herrentagstouren, die wir unterwegs gefunden haben, muss doch nun wirklich nicht sein, oder?

Übrigens: Dort an der Rabenklippe ist auch eine gastronomische Einrichtung. Oder sollte ich schreiben: astronomische? Die Preise, die dort für eine Bockwurst mit Brötchen aufgerufen wurden – 8 Euro 60 nämlich! – empfanden wir beide als von einem anderen Stern. Aber immerhin gibt es dort auch eine Stempelstelle – und für mich somit den ersten Eintrag im Stempelheft und überhaupt den ersten Wanderstempel meines Lebens. Und was soll ich Euch noch groß erzählen, Leute – dieses Gamification-Gemache, es funktioniert einfach. Tolles Gefühl, den ersten Stempel eingeheimst zu haben! Es wurden derer im Verlaufe unserer Tour noch drei weitere. Eigentlich vier, aber ausgerechnet der Sonderstempel ist offenbar dem Diebstahl zum Opfer gefallen. Tja. Künstlerpech wohl. Es gibt auch Apps, mit denen man digitale Stempel sammeln kann. Will man aber seine gesammelten Stempel im weiteren Verlauf beispielsweise gegen Patches einsammeln, braucht es schon die Tintenfassung.

Weitere Stationen waren die Eckertalsperre (auch hier: was für eine Aussicht!), die dereinst Teil der innerdeutschen Grenze war, sowie das Molkenhaus. Dort kehrten wir ein und belohnten uns jeweils mit einem halben Liter Radler. Nachdem man stundenlang auf und ab gewandert ist, teilweise schon gar keine Puste mehr hatte (also ich, ist klar, ne?) und trotzdem weitergemacht hat, trotz Schwüle und manchmal in ballernder Sonne, war das ungelogen in dem Moment das großartigste Getränk überhaupt! Als wir das Molkenhaus erreichten, befanden wir uns allerdings auch schon auf dem Rückweg.

Für unsere Tour brauchten wir netto rund viereinhalb Stunden. Somit hatten wir das Ziel, gegen 15 Uhr fertig sein zu wollen, erreicht. Das war auch gut so, denn es wurde ein schöner Tag und je mehr wir uns wieder dem Ausgangspunkt näherten, umso voller wurde es auch im Harz.
Erstaunlicherweise hatte ich bis auf ein bisschen Muskelkater im Hintern sowie in den Oberschenkeln dieses Mal so gut wie keine Blessuren davongetragen. Die beiden Blasen an den Hacken zählen nicht, da ich sie nicht einmal gemerkt habe. Für den Mammutmarsch im Juli in Hamburg fühle ich mich wieder ein bisschen besser vorbereitet. Und was die Wandertage im Harz angeht: Das war garantiert nicht der letzte. Schließlich hat mein Stempelheft noch seitenweise Platz für weitere Eintragungen.

Abschließend daher: Seid Ihr gerne zu Fuß unterwegs und habt das noch nicht probiert - gönnt Euch auch mal so einen Wandertag im Harz. Frische Luft, in großen Teilen immer noch wunderschöne Natur und Motivation in Form der Harzer Wandernadel. Alles gute Gründe für einen Ausflug.