Nachdem hier gestern Marvel Must-Have – Die Rückkehr von Wolverine ein Thema gewesen ist, bleibe ich noch kurz bei dem populären Mutanten mit den praktischen Adamantiumklauen im Handgelenk. Denn auch wenn Tod und Auferstehung von Logan aka Wolverine hinreichend bekannt sind, eine Sache war bis in die frühen 2000er-Jahre hinein noch nicht geklärt: seine Ursprünge. Einen Teil seiner Faszination und Popularität bezog die Figur aus dem Umstand, dass dessen Vergangenheit etwas war, das stets mit nebulösen Andeutungen umschifft wurde. Um die Jahrtausendwende herum war Marvel finanziell nicht ganz so gut aufgestellt – genau genommen stand man kurz vor der Pleite – und so warf der damals amtierende Chefredakteur Bill Jemas folgende Frage in den Raum: „Warum erzählen wir nicht endlich die größte Geschichte, die Marvel auf Lager hat?“
Diese Frage wurde bisher nicht gestellt, denn es war klar, dass damit nur Wolverines Ursprungsgeschichte sein konnte, und der Grund dafür, sie bis dato nicht gestellt zu haben, erklärt sich ein paar Sätze weiter oben. Long story short: Nachdem Marvel für dieses Vorhaben zunächst von zahlreichen Autoren Absagen für dieses Unterfangen kassierte, fand sich mit dem höchst talentierten Autor Paul Jenkins (u. a. Spawn: The Undead) genau der richtige Mann, Wolverines Ursprungsgeschichte zu erzählen. Und mit Andy Kubert exakt der richtige Partner, die Sache in schöne Bilder umzusetzen. Marvel Must-Have – Wolverine: Origin ist, das möchte ich vorab gerne anmerken, wieder ein Titel der Reihe, der das Prädikat „must have“ redlich verdient hat!
Manchmal weiß man schon beim Aufschlagen eines Comics und Betrachten der ersten Seite, dass sich im folgenden Verlauf ein wirklich bemerkenswertes Stück Comicliteratur wartet. So ist es auch bei Wolverine: Origins. Heute weiß man, dass Wolverine ein ziemlich zäher Typ ist, der nicht nur viel einstecken kann, sondern dank ausfahrbarer Klauen, inzwischen mit dem Fantasie-Metall Adamantium verstärkt, auch ordentlich austeilt. Wo ein Wolverine hinhaut, wächst so schnell kein Gras mehr. Wenn überhaupt. Und inzwischen dürfte man wohl auch wissen, dass Wolverine nur langsam altert und demnach schon mehr Jahre auf dem Buckel hat, als es auf den ersten Blick den Anschein hat.
Und so wirft uns Autor Paul Jenkins in die Wälder Kanadas, zeitlich wohl irgendwann recht knapp vor Anbruch des 19. Jahrhunderts angesiedelt. Im Mittelpunkt der Erzählung stehen drei Kinder. „Dog“ Logan, Sohn eines einfachen und (vor allem seinem Sohn gegenüber) gewalttätigen Arbeiters, der eine Frisur trägt, die seltsam vertraut ist. Der kränkliche James Howlett, Sohn einer wohlhabenden Familie, quasi als Gegenentwurf zu den Logans. Und das irische Mädchen Rose, das als Freundin und Zimmermädchen dem kränkelnden Knaben an die Seite gestellt wird. Zunächst haben alle drei auch eine gute Zeit, werden dicke Freunde, verbringen eine scheinbar unbeschwerte Kindheit. Aber wie das so ist: Die wohl am tiefsten verwurzelten menschlichen Eigenschaften – Neid und Missgunst – brechen sich auch in dieser Konstellation Bahn. Erschwerend kommt hinzu, dass zwei Typen um die Gunst einer Frau buhlen.
Ohne zu viel zu verraten: Die Lage eskaliert irgendwann richtig, es wird blutig und am Ende gibt es diverse Tote. Dem kränklichen Jungen, wohl aus einer Laune der Natur heraus, sind (zu dieser Zeit noch) knöcherne Klauen aus den Händen entwachsen, die wiederum im Gesicht von „Dog“ Logan diverse tiefe, heute nur allzu bekannte Narben hinterlassen haben. James und Rose flüchten in einen anderen Bundesstaat Kanadas, werden andere Menschen. Der einstige Howlett-Sohn trägt nun den Namen Logan. Der echte Logan aber hat die Ereignisse überlebt und macht sich, auf Rache sinnend, auf die Suche nach John Howlett. Eine Feindschaft, die Jahrzehnte überdauern und die so manchen Kollateralschaden fordern wird, ist geboren …
Um es kurz zu machen: Eine sagenhaft gute und gut erzählte Geschichte haben wir hier, die den Test der Zeit mühelos bestanden hat. Jenkins bewies sich damals einmal mehr als begnadeter Autor, der seinen Figuren viel Profil und Tiefe angedeihen lassen hat. Deren Handlungen stets schlüssig und nachvollziehbar sind und die mehr sind, als eindimensionale Abziehbildchen. Für den Fall, dass sich das aus dem zuvor Geschriebenen noch nicht ergeben haben sollte: Wolverine: Origins ist kein typischer Superheldencomic, auch wenn hier der Ursprung des berühmtesten X-Men aller Zeiten erzählt wird. Viel mehr erinnert dieses Werk an klassische Abenteuerromane oder auch grimmige Rache-Western mit einem Charles Bronson in der Hauptrolle. Ich denke da an Filme wie Yukon, im Deutschen auch Ein Mann wird zur Bestie bekannt.
Die – man kann es nicht anders sagen – prächtigen Bilder von Andy Kubert stehen der Handlung in Nichts nach. Ganz im Gegenteil. Die teilweise sehr detaillierten Bilder, die wunderbar lebhaften Farben erzeugen stets die richtige und passende Stimmung. Wenn Wolverine mit Wölfen inmitten des kanadischen Winters in einer Vollmondnacht in den Tiefen der Wälder um die Wette heult, dann ist das genauso großartig und stimmungsvoll umgesetzt wie das wärmende Kaminfeuer der Familie Howlett zum Weihnachtsfeste. Weltklasse!
Selbst wenn man nicht zu den größten Wolverine-Fans zählt: Diese Story gehört in die Sammlung, sofern sie nicht ohnehin schon dort verweilt. Ich bin absolut überzeugt davon, dass Wolverine: Origin auch weitere 25 Jahre von hier aus eine absolut erstklassig geschriebene und gezeichnete Geschichte geblieben sein wird. Ein zeitloser Klassiker. Eben ein echtes Must-Have!

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