The Fantastic Four: First Steps, oder: Das beste Mittel gegen Superhero Fatigue
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The Fantastic Four: First Steps, oder: Das beste Mittel gegen Superhero Fatigue

Am 8. August 1961, also vor nunmehr bald 64 Jahren, wurde die Welt auf gewisse Weise für immer verändert. An jenem Tag nämlich erschien die allererste Ausgabe von The Fantastic Four. Dieser vom legendären Stan Lee geschriebene und vom nicht minder legendären Jack Kirby gezeichnete Comic über eine besondere Familie markierte die Geburtsstunde nicht nur von Marvel Comics (zuvor noch als Atlas Comics bzw. Timely bekannt), sondern brachte das schlingernde Schiff wieder in ruhige Fahrwasser. Es ist wohl nicht allzu weit aus dem Fenster gelehnt, wenn man behauptet: Dass wir heute, im Jahr 2025, auf gut und gerne siebenundzwanzig- bis dreißigtausend Comichefte sowie mehr als 100 Filme und Serien (davon rund 37 Filme und rund 30 Serien im Marvel Cinematic Universe) blicken können, dürfte wohl der Veröffentlichung jenes besagten Comics zu verdanken sein.

Kirby und Lee schufen damals etwas, das praktisch ein Novum in der Welt der Superwesen darstellte: eine Familie, die zwar mit übernatürlichen Kräften ausgestattet war, aber oft genug auch mit nur allzu menschlichen Problemen zu tun hatte. Diese fantastischen Vier bestanden aus dem brillanten Wissenschaftler Dr. Reed Richards aka Mr. Fantastic, der nicht nur der klügste Kopf des Universums ist, sondern seinen Körper bzw. dessen Extremitäten massiv dehnen kann. Dazu gesellt sich Sue Storm, seine Frau, die Unsichtbare. Ihr Bruder Johnny Storm, eine lebende Fackel, noch dazu mit Flugfähigkeiten versehen. Und der Freund der Familie, Ben Grimm, ein quasi steinernes … Ding mit massiven Kräften. Wo das Ding hinhaut, wächst kein Gras mehr. Ihre Kräfte verdanken die Fantastic Four einem Ausflug ins All, wo die Gruppe kosmischer Strahlung ausgesetzt war und die fortan ihre besonderen Fähigkeiten (noch mehr) in den Dienst der Menschheit stellte.

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Versuche, die Abenteuer der Fantastic Four auf die große Leinwand zu bringen, gab es in der Vergangenheit so einige. Ein Film wurde gar nicht erst veröffentlicht, die anderen waren von allenfalls mittelprächtiger Qualität. Und in einer Zeit, in der mancherorts schon von der sogenannten Superhero Fatigue die Rede ist, einer Ermüdungserscheinung Comicverfilmungen betreffend, schickt sich Marvel an, mit The Fantastic Four: First Steps deren erste Familie erneut auf die große Leinwand zu bringen. Dieses von Matt Shakman (WandaVision) inszenierte Spektakel dient als Auftakt zur inzwischen sechsten Phase des MCU. Wir haben uns den Film logischerweise auch bei einem riesigen Eimer Popcorn neulich in einem Magdeburger Kino angeschaut und eventuell, unter Umständen, vielleicht, sind wir ganz bezuckert aus dem Lichtspielhaus gekommen.

Erfreulicherweise hält sich Matt Shakmans Film nicht damit auf, uns über die ganze Länge des Films zu erklären, wer die Fantastic Four sind und wie und warum sie wurden, was sie wurden. Das wird ganz kurz mal im Rahmen einer Talkshow abgehandelt und dann sind wir schon mittendrin in dem turbulenten Leben von Sue und Reed, Johnny und Ben. Denn, oh große Aufregung, nach Jahren des Probierens stellt sich heraus: Sue erwartet ein Kind. Und bei den Eltern liegt die Vermutung nahe, dass es kein gewöhnliches Baby werden wird.

Tatsächlich ist irgendwas dran an diesem Franklin getauften Sprössling, das die Aufmerksamkeit eines Wesens erweckt, älter als die Zeit und der Käse in meinem Kühlschrank, das irgendwie immer schon da war. Ganz im Gegensatz zu meinem Käse, aber das nur am Rande. Jedenfalls heißt dieser gigantische Typ Galactus und hat einen unstillbaren Hunger. Ich hätte ihm ja meinen Käse angeboten, aber Galactus gelüstet es nach mehr. Galactus ernährt sich direkt von ganzen Planeten. Um den Menschen zu erklären, dass ihr schöner blauer Planet nun auf Galactus’ Speiseplan steht, taucht eine silberne Gestalt auf einem Surfbrett auf und verkündet, kraft ihres Amtes als Herold, das Ende der Welt.

Die Fantastischen Vier machen sich auf den Weg, um Galactus’ Einreise in unser Sonnensystem zu stoppen, noch ehe Gigantus Galactus dieses erreichen kann. Das war hübsch gedacht alles, schlägt aber fehl. Galactus macht aber einen Vorschlag: Wenn Sue und Reed ihr bis dato noch ungeborenes Kind dem Knabberknilch überlassen, würde er im Gegenzug die Erde verschonen. Selbstredend lassen sie das nicht zu, was übrigens auf der Erde zum Überwurf mit der dortigen Bevölkerung führt, nachdem sie mitbekommt, dass das Opfer eines Kindes die Menschheit theoretisch hätte retten können. Schnell ist guter Rat teuer …

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Wenn Ihr mich fragt, hat Matt Shakman mit seiner Umsetzung von Marvels erster Familie alles richtig gemacht! Der Film verbucht so viele Punkte auf der Haben-Seite, dass die kleineren Schwächen, die durchaus vorhanden sind, ganz bequem übersehen und/oder verziehen werden können.

Das fängt bei dem ganz großartigen Cast des Films an. Natürlich brilliert der derzeitige Everybody’s Darling Pedro Pascal erwartungsgemäß in der Rolle des Dr. Reed Richards. Die Verzweiflung, das Elend der Welt im Kopf durchspielen zu müssen, um eben dieses zu verhindern, auch wenn es die Beziehung zu seiner Frau Sue Storm belastet, kommt glaubhaft rüber. Und auch Sue Storm, gespielt von Vanessa Kirby, macht einen tipptopp Job! Sie reiht sich ein in die Riege der starken Frauen aus dem Hause Marvel. Und ähnlich wie die Scarlet Witch Wanda Maximoff in der ebenfalls von Shakman inszenierten Serie WandaVision fährt sie sehr deutlich die Krallen aus, wenn es um das eigene Kind geht. Dieses moralische Leid, das eigene Wunderkind nicht zu opfern, gleichzeitig aber auch die Welt nicht dem intergalaktischen Nimmersatt zum Fraß vorzuwerfen … Alles glaubhaft, alles nachvollziehbar. Vor allem und ganz besonders dann, wenn man selbst Kinder hat.

Joseph Quinn als Johnny bzw. die Fackel überzeugt als kleiner Bruder, der immer auf seinen großen Moment hofft, gleichzeitig aber nach außen hin als Frauenschwarm verkauft wird. Schöner Kniff, ausgerechnet demjenigen, der sich immer beweisen möchte, (zumindest gefühlt) die meiste Bühnenzeit einzuräumen. Last but not least hat auch Ben Grimm, das Ding, aufgrund seiner väterlichen, gutmütigen Art überzeugt, auch wenn vom drunterliegenden Schauspieler Ebon Moss-Bachrach unter dem ganzen Masken- und Effektgewitter nichts zu sehen war. Wer sich den Film im O-Ton gibt, profitiert hier aber möglicherweise von der Intonierung des Schauspielers. Am meisten beeindruckt hat mich aber, dass die ganze Truppe miteinander harmoniert hat und tatsächlich so wirkte, als wären sie im besten Sinne miteinander verbunden. Die Chemie schien gestimmt zu haben.

Aber damit ist es ja noch nicht getan. Heimlicher Star dieser Verfilmung ist die 60er-Jahre-Space-Age-Optik mit ihrem wunderbaren, retro-futuristischen Charme. Dass sich die Kreativen hinter dem Film nicht darauf ausruhten, möglichst viel aus dem Computer zu erschaffen, sondern jede Menge echte Sets und Effekte umsetzten, hatte sicher seinen Anteil an dem überzeugenden Look & Feel des Films. Wenn man die ersten Auftritte der Fantastic Four in Comicform kennt (und dank Büchern wie etwa Paninis Fantastic Four Anthologie ist es auch allen möglich, das nachzuholen, wenn man nicht schon 1961 am Start war, so wie mein Käse), wähnt man sich förmlich mittendrin in den bunten Panels von damals. Gut gefallen hat mir auch die Interpretation des Silver Surfers als Herold von Unhold Galactus, die hier nicht nur weiblich ausgefallen ist, sondern mit allerhand Gewissen ausgestattet wurde.

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Klar könnte man sich darüber aufregen, dass manche Handlungselemente nur angerissen, nicht komplett ausgearbeitet oder vielleicht auch später der Schere zum Opfer gefallen sind. So wurde etwa der große John Malkovich und somit der Auftritt von Red Ghost komplett aus dem Film herausgenommen. Auch die zarte Bande, die Ben Grimm mit der Grundschullehrerin Rachel Rozman (Natasha Lyonne) knüpft, bleibt nicht mehr als ein Wenn und Hätte. Und, na klaaaar, man kann auch lamentieren, dass sich die aufgebrachte Weltbevölkerung, die am liebsten mit Fackeln und Mistgabeln auf die Fantas losgegangen wäre, viel zu schnell von ein paar schmeichelnden Worten von Sue Storm hat einlullen lassen. Letztlich wurde auch die ganz große Bedrohung irgendwie eine Spur zu schnell vom Tisch gefegt.

Aber wisst Ihr was? Man kann es auch lassen. Man kann auch ins Kino gehen und sich zwei wunderbare Stunden lang von einem Film bestens unterhalten lassen, dem es neben der tollen Besetzung und der großartigen Optik auch nicht an Spannung, gut ausbalanciertem Humor und ganz viel Fingerspitzengefühl für eine adäquate Umsetzung der Vorlage mangelt. Tatsächlich möchte ich behaupten, dass The Fantastic Four: First Steps der beste Marvel-Film seit Langem ist und für mich ganz weit oben landet, wenn ich sie jemals sortieren müsste. Und auch wenn hiermit die nächste Phase des MCU eingeläutet wird und die Rückkehr der drei lustigen Vier bereits angekündigt ist – dass der Film für sich alleinstehen kann, ist ein weiterer Pluspunkt des Films.

Jack Kirby ist bereits 1994 verstorben, hat von der Geburt des Marvel Cinematic Universe also leider gar nichts mehr miterleben dürfen. Und auch Stan „The Man“ Lee weilt seit 2018 nicht mehr unter uns. Es fällt aber wirklich nicht schwer, sich vorzustellen, wie sie auf irgendeiner Erde des Multiversums (vielleicht auch Erde-828, dem Ort des Geschehens dieses Films) aus dem Kino kommen, mit einem sehr zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Denn mehr als zufrieden, das könnten die Schöpfer der Fantastic Four mit dieser definitiven Umsetzung des Stoffes nun wirklich sein. Und so wie die Comics damals Marvel (zurück) in die Spur brachten, so könnte es dieser Film mit dem MCU schaffen.

Roman Jasiek

Magdeburg, Germany
Hi, ich bin Roman! Ich bin ein Kind der 80er und schreibe seit Ende der 1990er-Jahre Dinge ins Internetz. Mein Herz schlägt für Musik, Comics, Collectibles, Essen, Reisen, Wandern und meine Lieblingsmenschen. Ich lebe und arbeite in Magdeburg.