Hätte etwas mutiger ausfallen dürfen: Marvel Pride – Vielfalt der Liebe
© Panini Comics

Hätte etwas mutiger ausfallen dürfen: Marvel Pride – Vielfalt der Liebe

Wer sich welchem Geschlecht zugehörig bzw. dazu romantisch und/oder sexuell hingezogen fühlt, scheint für viele Menschen immer noch ein Thema zu sein. Und zwar in einem Maße, dass die LGBTQIA+-Community nach wie vor einen ganzen Monat – den Juni nämlich, den Pride Month – nutzt, um sich selbst zu feiern. Vor allem aber, um gegen Homophobie, Diskriminierung, Anfeindung, Sexismus und Intoleranz einzustehen. Jeder neuerliche Juni erinnert mich daran, dass wir weltweit von einer offenen, gleichberechtigten und toleranten Gesellschaft nicht nur immer noch weit entfernt sind, sondern uns scheinbar auch wieder in eine Richtung bewegen, die jede noch so zarte Errungenschaft wieder planiert.

Dass sich, nur als Beispiel, Menschen daran stören können, dass sich biologisch als Mann geborene Personen zeitlebens als Frau fühlen und irgendwann Maßnahmen ergreifen, auch als solche zu leben, geht mir nicht in den Kopp. Ging es noch nie. Wer sich darüber echauffieren kann, hat meines Erachtens eindeutig zu viel Tagesfreizeit und sonst auch keine anderen Dinge, die Raum einnehmen könnten. Na, wie dem auch sei, das ganz große Fass möchte ich an dieser Stelle gar nicht aufmachen, sondern mich mit Paninis Marvel Pride – Vielfalt der Liebe beschäftigen, einem unlängst aus Gründen erschienenen Sammelband.

Im Zentrum dieser Anthologie stehen satte 16 mal mehr, mal weniger umfangreiche Kurzgeschichten, die LGBTQIA+-Schöpfer*innen und -Charaktere in den Fokus rücken. So veranstaltet beispielsweise Loki die erste Pride in Asgard, der Web-Weaver kommt aufgrund spontaner Verbrechensbekämpfung zu spät zu seinem Date (im Handy abgespeichert als „cute app boy“) und Shela Sexton und Morgan Red haben noch mit weit mehr zu kämpfen als Mutantenkräfte, die nur bedingt so funktionieren, wie sie es sich wünschen. Bei 16 Storys, die sich auf die insgesamt knapp 150 Seiten verteilen, liegt auf der Hand, dass die allermeisten von ihnen kaum über nennenswerte Tiefe verfügen. Die hat man gelesen und direkt auch schon wieder vergessen.

Aber ein paar klingen eben noch nach, so wie die bereits erwähnte Geschichte mit Shela und Morgen. Nicht nur, weil die Mutantenkräfte einer Person sich auf das Liebes- und Beziehungsleben beider Personen auswirken – nicht unbedingt zum Vorteil, sag’ ich mal –, sondern weil die Kreativen hinter dem Comic einen ziemlich guten Kniff gefunden haben, um einschneidende Erlebnisse zu illustrieren. Die Rückblenden werden nämlich wie alte Peanut-Comicstrips erzählt. In immer nur drei Panels lesen wir beispielsweise, wie sich Shela ihren Eltern gegenüber outet, dass sie Mutantenkräfte habe. Gar kein Problem, sie bleibe ja dennoch für immer ihr Kind, alles gut und so weiter. Aber kaum, dass sich Shela outet, eine Trans-Person zu sein, geht für die Eltern das Abendland unter. Shelas Erfahrung werden vermutlich sehr viele Menschen in der echten Welt da draußen teilen, fürchte ich. Und auch das bekomme ich nicht in meinen Kopp, habe ich nie und werde ich auch niemals. Warum hört für entschieden zu viele Menschen das eigene leibliche Kind auf, ebendieses zu sein, wenn es feststellt, sich einem anderen Geschlecht zugehörig zu fühlen? Oh, der Weg ist noch weit. Sehr, sehr weit.

Was „Marvel Pride“ als solches anbelangt: Ich bin zwiegespalten. Einerseits finde ich es gut und richtig und wichtig, dass ein Schwergewicht wie Marvel seine Reichweite nutzt, um dem queeren Teil der Bevölkerung eine Stimme zu geben. Gleichzeitig ist es bedauerlich, dass es immer noch notwendig ist. Und ob Marvel in einem Amerika unter Trump weiterhin queere Autor*innen und Figuren im Haus der Ideen wird beherbergen können, oder ob nicht vielleicht eine neue Comics Code Authority dafür sorgt, dass die Leserschaft wieder nur noch heteronormative Weltsichten präsentiert bekommt, wird sich zeigen. Bei der aktuellen Entwicklung habe ich jedoch eine Vermutung.

Aber auch wenn ich Marvels Engagement hier zu würdigen weiß: Etwas mehr Mut hätte der Verlag durchaus aufbringen können. Denn die Figuren, die sich hier dem LGBTQIA+-Spektrum zuordnen, sind allesamt eher Randfiguren. Mutig wäre gewesen, eine der wirklich zentralen Figuren ein Coming-out haben zu lassen. Da war beispielsweise The Authority mit seinen schwulen Alternativen zu Batman und Superman Ende der 1990er-Jahre im Mainstream schon weiter.

© Panini Comics
SPONSORED

Wenn Dich dieser Artikel neugierig gemacht hat, kannst Du den Comic über nachfolgenden Link direkt bestellen. Als Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen. Es ist eine geringe Provision, die mir hilft, die Kosten für den Betrieb dieses Blogs etwas aufzufangen. An den Preisen ändert sich für Dich dadurch nichts. Vielen Dank! 🫶

Bei Amazon.de kaufen

Roman Jasiek

Magdeburg, Germany
Hi, ich bin Roman! Ich bin ein Kind der 80er und schreibe seit Ende der 1990er-Jahre Dinge ins Internetz. Mein Herz schlägt für Musik, Comics, Collectibles, Essen, Reisen, Wandern und meine Lieblingsmenschen. Ich lebe und arbeite in Magdeburg.