Etwas mehr als 42 Kilometer. Rund achteinhalb Stunden. Hamburg bei Nacht und das bei allerbestem Wanderwetter. Diese drei Sätze reichen prinzipiell schon aus, um das Erlebnis Nachtmammut Hamburg 2025 der Wanderevents Mammutmarsch zu beschreiben. Aber nach all den Jahren kennt Ihr mich. Sooo einfach kommen wir hier nicht raus aus der Nummer. Es folgen ein paar fernschriftliche Eindrücke dieses Erlebnisses, dessen Zeuge und Teilnehmer Nicole und ich in der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 2025 geworden sind.

Wie und warum ausgerechnet ich, eigentlich ein Spochtmuffel, scheinbar aber mittlerweile auf dem Wege der Besserung, zum Wandern gekommen bin – und zwar weiter als bis zum örtlichen Nahversorger zwei Straßen weiter – habe ich an anderer Stelle schon mal bisschen ausführlicher geschildert.
Für den Fall aber, dass Ihr gerade erst zugeschaltet und auf welchen Wegen auch immer zu mir gefunden habt, hole ich Euch kurz ins Boot. Sport war immer etwas, von dem ich dachte: Joa, müsste ich mal machen. Bei dieser Feststellung ist es geblieben. Dann kam Nicole, dann abendliche Spaziergänge von wenigstens 5 Kilometern (oder einer Stunde), die Anmeldung zur Firmenstaffel und dann die Teilnahme am Ultra-Walk MD, zum Einstieg mit der Distanz von 30 Kilometern.
Mehr oder weniger von 0 auf 100 für mich.

Und auch, wenn mich diese erste Extremwanderung drei Fußnägel gekostet und mir diverse Blasen beschert hat – ja Mann, ich hatte gute Wanderschuhe an den Füßen! – so war ich doch direkt angefixt davon. Gelinst, wo es als Nächstes hingehen könnte, stießen wir auf den nächtlichen Mammutmarsch in Hamburg. Ohnehin ist die Stadt im Norden mein Sehnsuchtsort, an den ich mindestens einmal im Jahr zurückkehren muss. Warum also nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden? Und so stand schnell fest: Jawoll ja, wir machen Hamburg bei Nacht.

Noch einmal 30 Kilometer, ehe es für mich vielleicht, unter Umständen, möööglicherweise an die nächstgrößere Herausforderung gehen sollte. Für Nicole alles keine große Sache mehr, zuletzt hatte sie 75 Kilometer rund um Potsdam absolviert!
Zur Übung wanderten wir zuvor noch eine Runde durch den Harz. Hier zwar nur 20 Kilometer, sobald aber Höhenmeter mit ins Spiel kommen, ist das noch mal ein anderer Schnack. Vor allem und ganz besonders dann, wenn man in etwa so konditioniert ist wie hart gewordene Sportsocken.

Aber: Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben. Was hier bedeutet: Es waren dann doch nicht nur 30 Kilometer. In dem Moment nämlich, als wir uns zur Buchung des Tickets entschlossen, waren die 30er-Plätze bereits ausgebucht. Ja, man gibt Geld dafür aus. Die Organisation kostet Geld, zwischendurch gibt es Verpflegungspunkte und am Ende warten Finisher-Bändchen, Urkunde und Medaille. Das kann es kaum für lau geben, wa? Und ja, die Zahl der Teilnehmer ist begrenzt. Tja. So wurden es eben 42 Kilometer. #nagut #warumauchnicht #wirdschon #mama?
Zunächst mal waren die Vorzeichen gar nicht mal so gut. Der Wetterbericht sprach von grauem Wetter bis Regen, aber immerhin nicht von so einer Bullenhitze wie noch in der Woche zuvor. Am selben Wochenende sollte in Hamburg der Schlager Move stattfinden, in diversen Bundesländern starteten die Sommerferien, und weil das so gut passte, sollte zusätzlich auch noch die A7, die nach Hamburg führt, an diesem Wochenende komplett gesperrt werden. Wer auch immer da für die Planung verantwortlich war: Chapeau!

Von unserem Startpunkt aus dauert es normalerweise nur rund 2,5 Stunden mit dem Auto bis Hamburg und, oh Wunder, viel länger brauchten wir auch nicht. Und, oh, noch mehr Wunder, wir fanden auch direkt einen Parkplatz in der Nähe des Startpunktes Lighthouse Zero. Wir hatten uns für Startgruppe 2 entschieden, liefen also mit … keine Ahnung … 50 bis 100 anderen Leuten um 17:40 Uhr los. Als wir das Gelände des Mammutmarsches erreichten, hatten wir noch rund eine halbe Stunde Zeit.
Einchecken, den ersten Energy Drink des Tages sponsern lassen, noch einmal fix auf die Pippibude und ein wenig auf Beef Jerky herumkauen, ehe es für uns losging.

Das Gelände wirkte so provisorisch, wie es eben auch war. Büdchen für den Check-in, für Getränke, für Merchandise und ein Wägelchen für Fressalien. Ansonsten Bänke und Tische, ein großer, aufgeblasener Mammut als Maskottchen und Dixi-Hütten, auf deren Anzahl manches Festival neidisch geworden wäre. Ungefähr 10 Minuten vor Anpfiff versammelten wir uns vor dem Start-Tor, wo ein junger Mann mit Mikrofon teils motivierende, teils obligatorische Ansagen machte. Und dann, 17:40 Uhr, ging es los.
Eines kann ich Euch sagen, und das gleich: Die Route, die sich die Verantwortlichen vom Mammutmarsch ausgedacht hatten, war wunderschön. Da dürfte für jeden Geschmack etwas dabei gewesen sein, denke ich.
Wir liefen am Industriehafen vorbei, über die Elbbrücke, hatten plötzlich ein Kreuzfahrtschiff längsseits, das im Begriff war, loszufahren. Wir durchquerten den alten Elbtunnel, drehten eine ausführliche Runde rund um die Alster, über die Landungsbrücken, und winkten der Elbphilharmonie. Die Route verlief weitgehend über Asphalt, lediglich in den stadtpärkischen Abschnitten hatten wir ein bisschen Schotter unter den Rennsemmeln. Selbst als immer noch Noob auf dem Gebiet würde ich sagen: Weder der Untergrund noch die Höhenmeter sorgten für größere Herausforderungen.

Auch sollte sich das Wetter als ideal erweisen. Nicht zu warm, nicht zu kalt, sonnig, kein Regen, kaum Wind, und erst ab dem zweiten Verpflegungspunkt bei Kilometer 27 zogen wir uns Funktionsjacken über. Das war allerdings dann auch schon gegen 23 Uhr. Und da hatten wir noch 15 Kilometer vor uns.
Nein, die Herausforderung lag in der Entfernung.
Für mich und sicher auch für viele andere, die bei der Frage, wer zum ersten Mal an so einer Veranstaltung teilnimmt, die Arme hochgerissen hatten. Bis Kilometer 30 war bis auf leichte Unterzuckerung und damit einhergehende Mauligkeit noch alles tippitoppi. Aber dann! So ab ungefähr 30,1 gelaufenen Kilometern erklärte ich Nicole: „So. Es ist so weit. Es tun mir jetzt offiziell die Füße weh!“

Aber! Aufgeben war keine Option. Und die meisten derer, die sich mit ähnlicher Fitness ins Ziel geschleppt haben, werden bestätigen können: Irgendwie geht es immer weiter.
Du magst glauben, kaum noch eine Treppenstufe steigen zu können. Du magst überzeugt davon sein, es geht nicht mehr. Es mag Dir Schwierigkeiten bereiten, den müden Wanst nach dem Stopp an einer Ampel wieder in Bewegung zu versetzen. Und doch: Irgendwie geht es.

Einen Schritt und dann noch einen.
Und auch, wenn Du das Ziel schon sehen kannst, die Verantwortlichen aber dennoch den Weg über eine Brücke nebst weiteren Treppenstufen vorgesehen haben und Du Dir denkst: „och nööhööö!“ – irgendwie geht es weiter. Und dann läufst Du durch dieses Ziel, wirst vom Mammutmarsch-Team gefeiert, bekommst Deine Medaille um den Hals gebaumelt und weißt vor lauter Endorphinen in dem Moment nicht, ob Du lachen möchtest, weinen oder vielleicht auch beides gleichzeitig.
Acht Stunden, rund 42 Kilometer, also die klassische Marathon-Distanz – und eine Vielzahl von tollen Eindrücken. Man nimmt die Welt um sich herum ganz anders wahr, entdeckt viel mehr kleine und große Details, wenn man auf den Füßen die Welt erkundet. Hier dieser Container im Hamburger Hafen mit dem Aufdruck „Institut für Sagenhaftes“. Was mag da drin gewesen sein?

Dort diese riesigen, eindrucksvollen und sehr teuer anmutenden Villen an der Alster. Was für Menschen mögen das sein, die es sich leisten können, in so einer Bude zu wohnen? Und dort, dieses tolle Graffiti an der Brücke. Oder hier, die Elphi, wie sie strahlt bei Nacht. Oh, und dort, der Mond am Himmel, der so seltsam rot leuchtete. Es gab viel zu sehen in diesen acht Stunden. Und ich bin mir sicher, der ein oder andere Eindruck dieser Nacht hat sich für immer in meinen grauen Zellen eingebrannt.

Aber die folgende Durststrecke war lang. In mehrerlei Hinsicht. Der nächste Verpflegungspunkt sollte für uns 42er erst bei Kilometer 27 auf uns warten. Also einmal rund 20 Kilometer durch die hereinbrechende Nacht latschen. Und der Versorgungsposten war auch eher dürftig. Es gab Wasser, durchgesäbelte Bananen und ein wenig Süßkram wie Lollis. Keine Cola, keine weiteren Mahlzeiten. Dafür aber die Aussage, na ja, das sei ja nur so ein Zwischenposten, der eigentliche Verpflegungsposten sei ja auch nur noch 5 Kilometer entfernt. Und so ein Lolli sei ja auch wie Cola, nur eben in hart. #okay #nagut

Zwar gab es dort Cola und Kaffee und auch mehr zu essen als nur Süßkram. Allerdings erstreckte sich das kulinarische Angebot bei unserer Ankunft gegen Mitternacht auf geschmiertes Graubrot, wahlweise mit Käse oder Wurst. Mortadella oder so. Und sie nannten es Sandwiches. Das war eher enttäuschend. Liebe Mammuts, das könnt Ihr sicher besser, oder? Das aber nur am Rande.

Übrigens: Solltet Ihr tendenziell an solchen Märschen oder Wanderungen Interesse haben, aber zweifeln, ob Ihr das packt, lasst Euch gesagt sein: Alleine schon das Hingehen und Ausprobieren ist. Ein. Sieg. Ihr tretet dabei nicht gegen andere an, es gibt keine Zeiten zu unterbieten, Platzierungen zu erreichen oder sonstige kompetitive Elemente. Ihr challengt nur Euch selbst, niemanden sonst. Und: Ihr seht die Welt möglicherweise mit anderen Augen, entdeckt selbst in bekannten Regionen Dinge, die Euch bisher verborgen geblieben sind. Eure Gesundheit dankt es Euch überdies auch. Okay, Eure Füße möglicherweise zunächst nicht so, aber irgendwas ist ja immer.
